Nachfolgend mein Votum zu einer Motion für flächendeckende Stromproduktion auf Neubauten und bei Sanierungen.
Votum
Sehr geehrte Frau Präsidentin, geschätzte Regierung, Liebe Kolleginnen und Kollegen
Wenn ich von meiner Wohnung in Frauenfeld nach Norden schaue, sehe ich etwa 30 Dachflächen die nach Süden ausgerichtet sind. Zwei davon sind mit Solarzellen ausgestattet, eine davon eine Gemeinschaftsanlage der Stadt Frauenfeld. Was mich aber wirklich nachdenklich macht, sind die 4 Neubauten, welche in den letzten Monaten hinzugekommen sind, ohne irgendeine Form von Solarenergie, trotz perfekter Südausrichtung und grossen Dachflächen. Die Produktion auf diesen Mehrfamilienhäusern würde sich auch wirtschaftlich auf jeden Fall lohnen und für die Einspeisung wäre die Gebäude mitten in Frauenfeld, sicherlich auch gut gelegen. Wenn solche perfekte Flächen heute nicht genutzt werden, erweckt sich mir nicht der Eindruck als würden wir bereits alles unternehmen, was notwendig ist, um den Ausbau der Erneuerbaren mit aller Entschlossenheit voranzutreiben.
Dabei drängt die Zeit und ein Ausbau der Erneuerbaren muss dringend forciert werden, um uns von den fossilen und nuklearen Energieträgern zu lösen.
Der neuste Bericht des IPCC macht klar: Bis 2030 müssen wir unsere aktuellen Emissionen weltweit halbieren, wenn wir das 1.5 Grad-Ziel mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% noch einhalten wollen. Dies erfordert den Ersatz von fossilen Heizungen, neue Mobilitätsformen und klimaneutrale Prozesse in Bau und Industrie. Viele dieser Lösungen erfolgen elektrisch und um diese auch erneuerbar zu betreiben, benötigen wir einen massiven Ausbau der erneuerbaren Energien. Das Potential hierzu ist auch im Thurgau noch gross. Beim Solarstrom könnten alleine die Dächer im Thurgau 2100 GWh produzieren, was mehr ist als unser aktueller Verbrauch von 1600 GWh.
Wenn wir die erneuerbaren Energien im notwendigen Masse voran bringen wollen, müssen wir geeignete Flächen nutzen und wir benötigen einen verbindlichen Ausbauplan mit konkreten Zielen. Wir sind hier im Thurgau mit diesem Anliegen auch nicht alleine: In Lichtenstein wurde kürzlich eine sehr ähnliche Motion vom Parlament überwiesen, welche eine Photovoltaik-Pflicht verlangt, wo die maximal mögliche Dachfläche ausgenutzt werden soll. Dies auch mit Unterstützung der Lichtensteiner Regierung: Die Zeit dafür sei gekommen.
Wir Motionär:innen fordern hier im Thurgau, dass geeignete Flächen grundsätzlich und flächendeckend für die Energieproduktion genutzt werden sollen. Dabei sollen die Faktoren Einstrahlung, Grösse der Fläche, Netzinfrastruktur und Wirtschaftlichkeit berücksichtigt werden. Bis 2030 sollen 40% des Stromes lokal produziert werden. Dies alles kann und soll bei der Umsetzung dieser Motion berücksichtigt werden. Auch der Begriff «flächendeckend» soll unter dieser Definition verstanden werden. Es soll die Fläche maximal ausgenutzt werden, welche wirtschaftlich und technisch sinnvoll erschlossen werden kann, so dass die Zielsetzung erreicht wird.
Der Regierungsrat kritisiert in seiner Antwort, der Umfang und die Auswirkungen lassen sich heute nicht abschätzen. Weiter seien bei einer planlosen Umsetzung ästhetische Fragen durchaus angebracht. Geschätzte Regierung, ich erwarte und bin überzeugt, dass der Regierungsrat unsere Motion nicht planlos, sondern wohl durchdacht umsetzen wird. Den entsprechenden Spielraum bietet die Motion absichtlich. Erklären wir heute die Motion für erheblich, können die Einzelheiten ausgearbeitet werden.
Ich bin froh zu hören, dass wir mit unseren Anliegen bei der Regierung grundsätzlich offene Türen einrennen und Ja wir haben bereits verschiedene gute Instrumente zur Förderung der erneuerbaren Energie im Thurgau. So ist eine Mindestfläche an Solarenergie bei Neubauten bereits vorgeschrieben. Wobei ich die Betonung auf «Mindest» lege, da die geforderte Fläche im Vergleich mit anderen Ländern, klein ausfällt. Diese Fläche könnte der Regierungsrat jedoch einfach anpassen. Auch die Förderung von grossen Anlagen im Thurgau ist auf jeden Fall ein wichtiges Instrument. Doch hier wird der Ausbau durch die Deckelung des Förderbeitrages ausgebremst. Mit den 1.2 Mio Franken, welche pro Jahr zur Verfügung stehen, können deutlich weniger als 1% des Thurgauer Bedarfs pro Jahr zugebaut werden. Eine Erhöhung der entsprechenden Mittel erachte ich hier als dringend notwendig.
Ich erlaube mir noch einen kurzen Exkurs zum Thema «weitgehender Eingriff in die Eigentumsgarantie»: Bis vor 10 Jahren musste jedes Haus in der Schweiz mit einem Luftschutzkeller ausgestattet werden, bzw. eine Ersatzabgabe bezahlt werden. Kostenpunkt für einen entsprechenden Keller ca 10’000 Franken.
Heute diskutieren wir darüber, ob geeignete Flächen, welche wirtschaftlich sinnvoll genutzt werden können, grundsätzlich mit einer Anlage zur Produktion von erneuerbarer Energie auszustatten sind. Auf jeden Fall handelt es sich hier um eine zusätzliche Investition. Jedoch um eine Investition, welche sich wirtschaftlich lohnt, unsere Versorgungssicherheit stärkt und ein wichtiger Schritt im Kampf gegen die Klimakrise ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen: Unser vorrangiges Ziel muss der schnelle Ausstieg aus fossilen Energieträgern und der massive Ausbau der erneuerbaren Energien sein. Ich bin überzeugt hierzu müssen wir erneuerbare Energien fordern und fördern. Das Potential ist gross, aber die Zeit ist knapp, weshalb wir verbindliche Ziele und Regeln brauchen. Nutzen wir diese Motion, setzen uns Ziele und legen in einem nächsten Schritt die Regeln für geeignete Flächen fest.
Ich bitte sie im Namen der einstimmigen grünen Fraktion, die Motion für erheblich zu erklären.